Die Geschichte des Arbeitsschutzes in Deutschland ist untrennbar mit der geschichtlichen Entwicklung der Industrialisierung verbunden.
Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts fand eine Zerlegung der Produktionsprozesse in einfach zu erledigende Arbeitseinheiten statt. Dadurch war es möglich, auch Menschen ohne spezielle handwerkliche Fachausbildung in den Fabriken einzusetzen.
Es bildeten sich Industriebezirke, in denen immer mehr Arbeiter, Frauen und sogar Kinder ab einem Alter von 6 Jahren beschäftigt wurden. Tägliche Arbeitszeiten von 14 Stunden waren damals die Regel und gefährdeten insbesondere die Gesundheit der Kinder.
Die Fabrikarbeit der Kinder erschwerte auch den Vollzug der im Jahre 1794 eingeführten Schulpflicht. Vor diesem Hintergrund wurde erstmals über ein Regulativ zur Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken diskutiert.
Das preußische Staatsministerium setzte sich gegen den Widerstand der Unternehmer durch, die in einer Beschränkung der Kinderarbeit ihre internationale Konkurrenzfähigkeit gefährdet sahen.
Es verabschiedete am 9.3.1839 ein Gesetz, das unter anderem ein Verbot der Kinderarbeit vor dem vollendeten 9. Lebensjahr in Fabriken, Berghütten oder Pochwerken, die Sicherung einer mindestens dreijährigen Schulausbildung sowie die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 10 Stunden für Arbeiter vor dem vollendeten 16. Lebensjahr vorsah.
Mit diesem Regulativ war der Grundstein für die Arbeitsschutzgesetzgebung gelegt. Die Grundlagen für die Durchsetzung dieser Schutzbestimmungen konnten aber erst mit Erlass des Gesetzes über die Fabrikinspektoren vom 16.5.1853 geschaffen werden. Dieses Gesetz legte gleichzeitig den Grundstein für die staatliche Überwachung der Unternehmen.
Mit der Reichsgründung im Jahre 1871 entstand erstmals für das gesamte Deutsche Reich eine einheitliche Rechtsgrundlage auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes: die Reichsgewerbeordnung.
Die bis dahin noch nach eigenem Ermessen handelnden Fabrikinspektionen wurden zu einer obligatorischen, behördlichen Gewerbeaufsicht ausgebaut.
Der weitere Ausbau der Arbeitsschutzgesetzgebung scheiterte zunächst am Widerstand Bismarcks, der die deutsche Industrie in ihrer Konkurrenzfähigkeit gefährdet sah.
Ein Wandel in der Einstellung Bismarcks vollzog sich dann aber auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass immer mehr durch Unfall oder Berufskrankheit geschädigte Arbeiter ihre Schadensersatzforderungen direkt an den Unternehmer richteten.
Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine allgemeine Unfallversicherungspflicht gab, bedeutete dies für die betroffenen Unternehmer nicht selten den finanziellen Ruin.
Erst mit Einführung des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes vom 6.7.1884 wurde die Entwicklung der Arbeitschutzgesetzgebung weiter vorangetrieben. Das Gesetz sah die Einführung von gesetzlichen Unfallversicherungsträgern als Zusammenschluss von Unternehmern gleicher Branchen als so genannte Berufsgenossenschaften vor.
Durch die Beitragszahlungen der Unternehmer an die gesetzliche Unfallversicherung wurde der zivilrechtliche Entschädigungsanspruch für Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber vollständig abgelöst. Gleichzeitig erhielten die Berufsgenossenschaften das Recht, autonome Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen und deren Einhaltung eigenständig in ihren Mitgliedsunternehmen zu überwachen.
Das duale Arbeitsschutzsystem war geboren.
Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Arbeitsschutzvorschriften weiter ausgebaut und verbessert. Auf Grundlage der Novelle der Reichsgewerbeordnung vom 1.6.1891 konzentrierte sich die staatliche Gesetzgebung zunehmend auf soziale Arbeitsschutzvorschriften.
So wurden die Bestimmungen für die Beschäftigung Jugendlicher, die Sonn- und Feiertagsarbeit, die Anforderungen an Arbeitsräume sowie für den Frauen- und Mutterschutz weiter verschärft und durch die Gewerbeaufsichten überwacht.
Parallel dazu entwickelten die Berufsgenossenschaften Detailvorschriften, insbesondere zum technischen Arbeitsschutz. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam der Arbeitsschutz weitgehend zum Erliegen.
Sofort nach Kriegsende wurde das deutsche Arbeitsschutzsystem wieder hergestellt und weiterentwickelt.
Die wichtigste Errungenschaft nach dem Ersten Weltkrieg war, dass die regelmäßige tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf grundsätzlich 8 Stunden begrenzt wurde. Dieser Grundsatz gilt bekanntlich heute noch.
Auch die heute immer noch gesetzlich verankerte Pflicht von Unternehmen zur Beschäftigung Schwerbeschädigter stammt aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Grund für den Erlass des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 12.1.1923 war die damals hohe Zahl an Kriegsgeschädigten.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde wiederum ein großer Teil der Arbeitsschutzvorschriften außer Kraft gesetzt. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg kam es auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu einer vollständigen Rücknahme aller Gesetzeseinschränkungen. Die darauf folgende Epoche bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war geprägt von einem dynamischen Wirtschaftswachstum.
Im Einklang mit dem Aufbau des deutschen Sozialstaates wurde sowohl der technische als auch der soziale Arbeitsschutz stetig weiterentwickelt, was seinen Niederschlag in einer ständig wachsenden Zahl von Gesetzen, Vorschriften, Richtlinien, technischen Anleitungen, Normen und Regeln fand.
Einen Meilenstein stellte die Einführung des Arbeitssicherheitsgesetzes vom 16.12.1973 dar. Erstmals waren die Unternehmer per Gesetz dazu aufgefordert, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit als Berater in die betriebliche Sicherheitsarbeit einzubeziehen. Gleichzeitig erhielten die Berufsgenossenschaften den Auftrag, die Umsetzung des Gesetzes branchenspezifisch zu modifizieren, was dazu führte, dass überwiegend KMU von der Verpflichtung nach dem Gesetz befreit wurden.
Auf Grundlage des Arbeitssicherheitsgesetzes entwickelte sich ein neuer Dienstleistungssektor: die überbetrieblichen Dienste für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin. Parallel dazu wurden in größeren Unternehmen Sicherheitsfachkräfte und Sicherheitsbeauftragte qualifiziert.
Erst mit Einführung des Arbeitsschutzgesetzes vom 7.8.1996 wurden die Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, das Arbeitssicherheitsgesetz anzuwenden. Mit diesem Beschluss wurde sichergestellt, dass alle in Deutschland Beschäftigten kraft Gesetz sicherheitstechnisch und arbeitsmedizinisch betreut werden.
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